Die Webers – eine deutsche Familie 1932–1945 by Hans-Georg Noack

Die Webers – eine deutsche Familie 1932–1945 by Hans-Georg Noack

Autor:Hans-Georg Noack [Noack, Hans-Georg]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: 2. Weltkrieg, deutsche Geschichte, Hitlerjugend, Jungs, Brüder, Zivilcourage, Berlin
Herausgeber: Ravensburger Buchverlag
veröffentlicht: 2015-09-10T16:00:00+00:00


Wieder ist der Frieden in Gefahr. Unter dem Druck eines deutschen Ultimatums zerbricht die Tschechoslowakei. Das »Protektorat Böhmen und Mähren« wird errichtet. Hitler zieht in Prag ein.

Litauen gibt das Memelgebiet dem Deutschen Reich zurück. Erneut beteuert Hitler, er habe nun keine Forderungen mehr zu stellen, aber niemand glaubt es.

Zu seinem 50. Geburtstag, am 20. April, werden zum ersten Mal die zehnjährigen Jungen und Mädel zum Dienst in der Hitler-Jugend pflichterfasst.

Nein, unter keinen Umständen will Gerd Pimpf werden. Er ist anders als sein Bruder. Er hat keine Freude daran, im Glied zu marschieren. Viel lieber streift er allein durch den Wald. Dann kann er die Tiere beobachten, die er liebt. Viel lieber liest er zahllose Bücher. Man soll ihn doch in Ruhe lassen!

Aber man lässt ihn nicht in Ruhe; denn »der Dienst in der Hitler-Jugend ist Ehrendienst am deutschen Volke«, heißt es im Gesetz, und niemand darf mehr auf diesen Ehrendienst verzichten.

Seinem Jungzugführer, dem dreizehnjährigen Horst Wald, wäre es gleichgültig, ob Gerd zum Dienst kommt oder nicht. Mit dem Jungzug würde er leichter fertig, wenn alle gern und eifrig dabei wären. Aber er muss jede Woche seinen Dienstbericht vorlegen, und es sieht nicht gut aus, wenn immer wieder jemand unentschuldigt fehlt. Er will sich nichts nachsagen lassen. Nein – er sorgt dafür, dass seine Pimpfe nicht aus der Reihe tanzen.

Deshalb besucht er Gerd und spricht mit ihm. Gut, das nächste Mal wird er kommen, verspricht der Junge, und er hält Wort.

Aber es ödet ihn an, eine halbe Stunde lang zu üben, wie man sich nach rechts oder links zu drehen hat, und eine weitere Stunde lang Lieder und Fahnensprüche für die Pimpfenprobe zu lernen. Mag sein, dass andere Freude daran haben, wenn endlich auf ein Kommando hin alle Absätze so aneinanderschlagen, dass es sich wie ein einziger Schlag anhört. Ihm ist das völlig einerlei. In der nächsten Woche fehlt er wieder.

Eigentlich wollte er seine Mutter bitten, einen Entschuldigungszettel zu schreiben, aber dann kam es ihm komisch vor, dass Mutter ihn bei einem Jungen entschuldigen sollte wie bei einem Lehrer. Außerdem schrieb sie wahrscheinlich keine Lügen. Also musste es auch so gehen. Er blieb zu Hause und versuchte ein Weilchen, dem Wellensittich das Sprechen beizubringen. Aber der Vogel sagte kein Wort. Vielleicht hatte er daran so wenig Spaß wie Gerd am Jungvolkdienst.

Es läutete. Gerd wollte öffnen gehen, aber Mutter war schon an der Tür. »Ja, er ist hier«, hörte er sie sagen, und im selben Augenblick schallte von der Straße herauf ein Sprechchor: »Bei uns wird kein Dienst geschwänzt!«

Mutter rief. »Na, hast du vergessen, dass heute Mittwoch ist?«, fragte ihn der Jungzugführer. »Los, zieh die Uniform an. Die anderen warten.«

Fünf Minuten später war Gerd auf der Straße. Mehr als dreißig Gesichter grinsten ihn schadenfroh an, und Gerd schämte sich, denn es hatten sich viele Kinder um die angetretenen Pimpfe versammelt. Auch ein paar Erwachsene sahen aus den Fenstern.

»Das waren achtundzwanzig Minuten Verspätung«, stellte Horst Wald mit einem Blick auf die Armbanduhr fest. »Los, Weber, achtundzwanzig Runden um den Jungzug!«

Die anderen marschierten los, und Gerd umkreiste sie im Laufschritt.



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